Gellysblog

Der gläserne Mensch

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Wohin führt uns das gläserne Zeitalter? Ja, es ist uns klar, dass wir „verfolgbar“ sind, das passiert automatisch durch unsere Handys, Navigationsgeräte und sonstige Signale, die wir ausstrahlen und täglich (Tag und Nacht) und überall mit uns tragen. D.h. unsere Wege können täglich nachvollzogen werden, wo wir waren, mit wem wir uns getroffen haben usw. Doch was ich diese Woche bemerkt habe, dass die elektronischen Netzwerke auch schon wissen, wo wir in Zukunft sein werden, das hat mich wirklich verblüfft und schon auch ein wenig verunsichert.

Denn wie wahrscheinlich viele von euch auch, nutze ich mittlerweile einen elektronischen Kalender, zumindest für die beruflichen Termine und das ist ein ganz normaler Outlook Kalender auf meinem Computer, der sich auch mit dem iPhone und dem iPad synchronisiert – alle Geräte sind im Eigentum meines Dienstgebers.

Und privat schreibe ich seit Mai 2016 diesen Blog: www.gellysblog.eu für Gesundheit, Ernährung und Society Check und diese Beobachtung ist wirklich reif für den Society Check. Seit November 2016 bin ich ja auch auf Facebook aktiv und bemerke schon, dass aufgrund meiner GPS-Daten oder meiner Google-Suchen, dann auch automatisch die passenden Beiträge dazu auf Facebook erscheinen. Auch der Zusammenhang zwischen meinen Blogbeiträgen und den mir anschliessend präsentierten Werbungen und „Forschungsergebnissen“ ist mir schon oft genug markant aufgefallen.

Hier ein Beispiel: Ich schreibe einen Blogbeitrag – Obst statt Weihnachtskeks und nur ein paar Sekunden danach bekomme ich eine „wissenschaftliche Studie“ präsentiert, die entdeckt hat, dass Obst ungesund ist. In diesem Fall hatte ich wirklich das Gefühl, da sitzt jemand auf der anderen Seite des Bildschirms, der meint, ich soll meinen „Gesundheitstrip“ nicht übertreiben und versucht mir gleich innerhalb von ein paar Sekunden mit diesem „Gegenposting“ sofort das Gegenteil zu beweisen. O.k. an das habe ich mich jetzt schon gewöhnt und auch ich, die immer wieder für bewusstes Lesen eintritt, anstelle nur Fotos zu beurteilen, muss trotzdem ja nicht alles lesen, was mir offensichtlich „unzufällig“ im Netz präsentiert wird.

Und dann bekomme ich auf einmal den Vorschlag von Facebook, meine Freundschaftsanfragen an genau die Personen zu schicken, mit denen ich am Montag einen Termin geplant hatte. Unter der Rubrik Freunde, die du kennen könntest, erschienen alle Kunden, mit denen ich in der Zukunft telefonisch Termine vereinbart hatte. Ich hatte die Kunden nicht gegoogelt und auch nicht auf deren Homepage geklickt. Ich habe nur unsere firmeninterne, angeblich sichere Datenbank verwendet, um aus dieser dann die Termine in meinem Outlook Kalender einzutragen. Und nicht nur meine Kollegen, Kolleginnen und Chefs wussten, wo ich am kommenden Montag meine Termine habe, sondern Facebook wusste es ebenso.

Diese Vorausschau der elektronischen Plattformen in unser kommendes Leben hat mich dann doch ziemlich erschreckt. Und das passiert mir gerade jetzt, wo ich grad ursprünglich geplant hatte, dass meine handgeschriebenen Timer immer kleiner werden sollten, damit auch ich endlich noch mehr in der modernen elektronischen Kalenderwelt ankomme, bis ich dann ganz auf sie verzichten kann. Doch diesen Vorsatz werde ich jetzt doch ein wenig überdenken, denn bei der Verwendung des Outlook Kalenders weiß nicht nur euer lokaler Computer, sondern zumindest auch ein Facebook Insider, wo ihr in den nächsten Tagen sein werdet. Das finde ich dann wieder nicht so cool!

Wenn ich mir dann einen Missbrauch dieses Umstandes vorstelle, denn fühle ich mich gar nicht so wohl dabei. O.k. auch unser sonstiges Leben ist manchmal recht durchschaubar – man geht um die gleiche Zeit außer Haus, verwendet denselben Zug oder die S-Bahn, kommt ev. um dieselbe Zeit nachhause, geht um die Mittagszeit immer in dasselbe Lokal usw. Doch ich möchte nicht, dass jeder Mensch, der die technischen Fähigkeiten dazu besitzt und vor allem, den ich gar nicht kenne und noch nie gesehen habe, genau weiß, wo ich mich in den nächsten Tagen befinden werde.

Was mir auch zu denken gibt, dass durch das elektronische „Outing“ meist die Menschen, zu denen man nur Internet Kontakt hat, oft mehr von einem Wissen als die einem nahestehenden Personen. Weiß eure Familie oder euren besten Freunde, wo ihr die nächsten Tage seid? Oder umgekehrt, wenn ihr gleich nach dem Erlebten postet, wissen alle FB-Freude als erstes, wo, wann und mit wem ihr heute unterwegs wart.

Wahrscheinlich wissen auch die Menschen, die nur meine Fotos auf FB liken genau, wann, wo und wie das passiert ist, …

Wer, wann, wo, was wären hier die Fragen, die nicht nur Experten aus meinem FB-Profil oder aufmerksame Blogleser wissen könnten – vielleicht wär’s noch einfacher, wenn ihr das aus meinem Outlook Kalender herauslesen könntet. O.k. meine Eintragungen und Postings kann ich selbst beeinflussen, doch wie soll ich die Eintragungen und die „Zur Schau Stellung“ meiner zukünftigen Termine verhindern?

Manche posten ja alles – was sie essen, trinken, sch……, pf….., oft in Form von Fotos. Die Kommunikationskanäle Reden, Lesen und Schreiben werden dafür immer weniger genutzt – wahrscheinlich solange bis wir sie vergessen haben, dass es sie jemals gab. Andere wiederum lehnen alles ab, was aus dem Ausland ist, was von der „Industrie“ ist, was von der Politik kommt, was in der Zeitung steht, was nicht bio- oder öko- im Wort enthalten hat, …

Manchmal weiß man wirklich nicht mehr wo die „Wahrheit“ liegt und wie und wer unser Leben täglich beeinflusst. Der eine sagt A, der andere B und wenn`s auf einmal unangenehm wird, dann wechseln A und B ganz schnell die Meinung und A sagt auf einmal B und umgekehrt.

Vielleicht wird im nächsten Jahrhundert ja unser Terminkalender schon vorgegeben und wir folgen dann einfach den Anweisungen, ich hoffe nicht, dass es so weit kommen wird. Doch dann brauchen wir uns dafür über die Wahrheit keine Gedanken mehr zu machen, denn die ist dann vorgegeben, vorausgesetzt die Technik funktioniert.

Ich weiß nicht wie ich mit diesem „Vorausschau“ Phänomen in Zukunft umgehen werde – wahrscheinlich und hoffentlich werde ich in ein paar Jahren über den ersten Schrecken, die diese Erkenntnis jetzt bei mir verursacht hat, schmunzeln, den Kopf schütteln und über mich selbst lachen.

So wie ein Erlebnis vor vielen Jahren, als ich in meine erste neue eigene Wohnung zog. Ich bezog die Wohnung nur mit einem Campingbett, einer kleinen Palme, einen Radio und einer Kaffeemaschine – WC und Bad waren zum Glück schon vorhanden. Und nachdem ich zu dieser Zeit viel in Hotels genächtigt habe, war diese karge Einrichtung mal so richtig erfrischend, denn Hauptsache ich war zuhause in den eigenen vier Wänden.

In der ersten Nacht konnte ich überhaupt nicht schlafen, den irgendetwas tickte und tickte, sodass ich fast das Gefühl hatte, es war irgendwo eine Bombe versteckt. Ich wanderte dann mit meinem Campingbett von einer Ecke der Wohnung zur nächsten, doch das Ticken war überall zu hören. Endlich entdeckte ich, dass diese Geräusche vom damals noch analogen Thermostatgerät kamen, das die Heizung regulierte. Am nächsten Tag rief ich gleich den Servicetechniker an, um das Gerät entfernen oder auf Garantie tauschen zu lassen. Er nahm meine Sorge am Telefon ernst, beruhigte mich aber, und meinte, ich sollte das Ticken noch ein paar Tage oder Nächte beobachten und gab mir einen „Besuchstermin“ in ca. einer Woche.

Das war das Beste, was er sagen konnte. Erstens gewöhnt man sich an alles und zweitens, wurde das Ticken besonders durch die gähnende Leere in meiner Wohnung verstärkt. Und siehe da, sobald die Wohnung mehr und mehr möbliert wurde und ich keine Angst mehr vor dem Ticken hatte, schlief ich schon die nächsten Tage, tief und fest wie ein Murmeltier.

Ich glaube auch an diese Tatsache, dass da irgendwer über meinen Terminkalender Bescheid weiß, den das gar nichts angeht, werde ich in ein paar Wochen, Monaten oder Jahren auch schmunzeln oder es wird mir gar nicht mehr Bewusst auffallen und zur Alltäglichkeit dazugehören.

Mir und euch wünsche ich die Zuversicht und das Vertrauen, dass wir alle „nette, positive gesinnte“ Beobachter im Hintergrund haben, die uns nur gutes wünschen und in Wirklichkeit nur unterstützen und unser Leben vereinfachen wollen.

Rosige zukünftige Jahre mit unseren elektronischen Begleitern wünscht euch

Gelly

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P.S.: Als ich heute ein schönes Foto von unserem Tagesausflug mittels Whats App an eine Freundin verschickt habe, ist mir erst später aufgefallen, dass Maskolino, der im Nebenzimmer sitzt, das schöne Bild mit ihm und seinen Enkelkindern auch noch nicht gesehen hatte. Also schickte ich es prompt auch an ihn – schon skurril, denn er war ja nur 10 m von mir entfernt. Schicken war aber einfacher, als aufzustehen, zu reden, ihn vielleicht noch grad beim spannenden Teil seiner derzeitigen Lieblings-TV Serie zu stören. Aber zumindest habe ich ihn das schöne Bild nicht vorenthalten oder auf ihn, der ja persönlich anwesend war, vor lauter elektronischen Verbindungen vergessen. Auch ich bin schon in der Cloud angekommen!

 

 

 

 

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