Anfang November hatte ich für 2 Tage und 1 Nacht das Vergnügen Hundesitter zu spielen und ich glaube ich habe diese Aufgabe ganz gut erfüllt. Was ich aber an diesen Tagen auf Wiens Straßen bzw. Gehwegen erlebt habe, ist mir bis heute in Erinnerung geblieben und diese Gedanken sind noch so präsent, dass ich sie heute gerne mit euch teilen möchte.
Ich gehe sehr oft entlang der Baumallee vor unserem Haus ein paar Schritte, entweder um einen Einkauf zu erledigen, mit meinen Walking Stecken, um mich ein wenig auszupowern oder einfach nur, um meinen Schrittzähler zu bewegen und mit ein paar mehr Schritten zu füttern.
An meinen Hundesittertagen war ich auf meiner Hausstrecke natürlich immer in Begleitung von Funny unterwegs, die 1. sehr aufgeregt war, weil sie vorher noch nie in so einer großen Stadt war, 2. bei jeden „Huper“, den sie hörte einen Hüpfer machte, weil sie sich schreckte und 3. sich vor jedem großen Monster, welches für sie jeder Lieferwagen und jeder Lkw war, verstecken wollte.
Auf dem Land, ihrem eigentlichen Zuhause, hat man ihr nämlich gelernt, bei jedem vorbeifahrendem Auto stehen zu bleiben, was für sie mitten in der Großstadt, zu einer scheinbar unlösbaren Aufgabe wurde. Zusätzlich zu den Geräuschen und den vielen visuellen Reizen war sie natürlich von den vielen Düften begeistert, die sie am Boden aufschnappen konnte. Wir brauchten ca. 15 Minuten für einen Quadratmeter Wiese, bis sie alles erschnuppert hatte und wir zum nächsten Quadratmeter weiterwandern konnten.
Nachdem das Hund und Herrl Thema mit oder ohne Gaggi vor allem in den Großstädten immer wieder für Diskussionen sorgt, war ich schon gespannt, wie es uns beim Gassigehen in der großen Stadt ergehen wird. Und ich war total verwundert, dass ich keine abwertenden oder schimpfenden Passanten erlebte, sondern ganz vielen netten lächelnden Blickkontakten begegnete, wie ich sie ohne Begleithund in Wien noch nie erlebt hatte. (Irgendwie kann ich mich zwar wage erinnern, dass ich in einer lauen Sommernacht als junges Mädchen in adretter Kleidung vielleicht ähnlich vielen freundlichen Leuten begegnete, doch das ist schon sehr, sehr lange her.)
Weil die Hundebegleitung auch für mich fremd war, war ich selbst natürlich auch besonders aufmerksam und beobachte schon alle Passanten von der Ferne. Wie werden diese wohl auf den Hund reagieren? Werden sie sich ärgern, weil wir doch mehr Platz am Gehweg brauchen, als ein Mensch allein? Werden sie mir ausweichen? Werden sie schimpfen? Aber nein: Wirklich jeder kam uns freundlich und lächelnd entgegen, mit manchen wechselte ich sogar ein paar Small Talk Worte. Egal ob jung oder alt, In- oder Ausländer, mit oder ohne Hund, Einzelpersonen oder Gruppen, alle kamen uns lächelnd entgegen und sahen uns oft direkt in die Augen – und das mitten im November, wo sonst die meisten Blicke zum Boden gerichtet sind und viele Gesichter eine gewisse Verbissenheit und Traurigkeit mit sich tragen.
Woher kommt das? Wieso wird man als Mensch ignoriert und als Mensch mit Hund beachtet? Auch in den Sozialen Medien merkt man das ganz stark: Werden Tiere gepostet, gibt es automatisch mehr Likes. Postet man sein bestes Personenfoto – außer das Foto ist ein ganz verrücktes, skurriles oder mit besonders schönem Hintergrund – gibt es nur die Hälfte der Likes, die das Tier bekommen hat. Liebt unsere Gesellschaft Tiere mehr als Menschen? Wo wird das hinführen? Sind wir in Zukunft nur mehr mit Tierbegleitung interessant? Haben wir schon so genug voneinander, dass wir uns gar nicht mehr sehen wollen? Tiere gibt es ja auch schon so viele und es werden immer mehr, doch unser Interesse an dieser Spezies scheint noch nicht erloschen, nein, vor allem im städtischen Raum suchen sich immer mehr Menschen tierische Begleiter.
Für mich war das der erste Stadttag mit Funnys Begleitung, denn Maskulino weigert sich immer, dass wir unsere Zweisamkeit mit einem Hund erweitern. Er meint, dass die Tiere in der Stadt arm sind. Er selbst ist ja auch ein Freigeist und braucht oft Auslauf und genug Raum, Zeit und Orte zum Austoben, vielleicht glaubt er genau dasselbe von unseren tierischen Begleitern. Doch ich glaube er hat nur ein wenig Angst, dass er dann meine Aufmerksamkeit, die ich ihm bis jetzt ungeteilt schenke, mit einem tierischen Mitbewohner teilen müsste.
Auf jeden Fall haben diese 2 Tage mit Funny ganz super funktioniert. Sie war so erledigt, von den vielen Eindrücken, den Zügen, den vielen Menschen und den vielen Gerüchen, dass sie sowieso ganz viel geschlafen hat, sobald sie ihren Platz im Körbchen gefunden hat. Wir konnten sie dazu motivieren, in unserem Arbeitszimmer zu nächtigen, so musste Maskulino zumindest nicht das Schlafzimmer mir unserer Kurzzeitmitbewohnerin teilen. Und wir beide konnten auch angenehm ruhen, weil ihr Schnarchen im anderen Raum nicht mehr so laut zu hören war.
Funny hat auch nicht einmal gebellt, wenn sie Schritte am Gang gehört hat, sie schien sich in unserem trauten Heim sehr sicher zu fühlen. Auch als einer von uns die Wohnung betrat, kommentierte sie das nicht laut bellend, sondern begrüßte uns nur leise winselnd und schwanzwedelnd, was in einer Wohnhausanlage mit vielen Nachbarn schon sehr beruhigend ist und vorher unsere größte Angst war. Nur einmal stürmte sie laut bellend durch unsere Wohnung, das war der Moment, an dem Maskulino unseren Flatscreen aufdrehte, der auf einmal in ziemlicher Lautstärke fremde Stimmen ertönen lies. Als wir ihr den Grund für diese Geräusche zeigten, war sie gleich wieder zufrieden.
Und als sie mich am nächsten Morgen um 6.30 Uhr aufweckte, war ich ihr sogar dankbar, damit sie rechtzeitig ihre Notdurft auf der Wiese vorm Haus erledigen konnte, also hatten wir eigentlich gar kein „Gscher“ mit ihr. Aber auch da, war ich wieder so überrascht, wie freundlich mir alle Menschen, die wir begegneten um diese Morgenstunde im November entgegenkamen. Anscheindend freute sich jeder, Funny zu sehen. Es wurde zwar schon ein kleiner Respektsabstand eingehalten, was ich auch gut finde, doch sie lächelten uns an und manche suchten sogar scheinbar unsere Nähe.
Also wenn man an einem kühlen Novembertag einmal vielen freundlichen Menschen in Wien begegnen möchte, dann braucht man sich nur einen Hund ausborgen. Doch wie geht das weiter, beginnen wir dann irgendwann zu bellen? Es gibt zwar auch Kommunikation zwischen Hund und Mensch, doch was ist mit den vielen Worten, die wir uns im Laufe unseres Lebens angeeignet haben? Wer kocht und ein Essen oder zumindest einen Tee, wenn wir einmal krank sind? Wer geht für uns einkaufen? Wollen wir wirklich ein Hundeleben führen, indem wir uns so auf unsere Mitbewohner fokussieren?
Projizieren wir nicht viel zu viel Schönes auf unsere Tiere und sehen in ihnen fast unseren Märchenprinzen oder -prinzessin? Wollen wir den zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen, die es in jedem Zusammenleben geht, entfliehen und versuchen diese Defizite oder fehlenden Streicheleinheiten stattdessen von unseren vierbeinigen Mitbewohnern zu ergattern. Für viele Menschen ist der tierische Mitbewohner sicher Partnerersatz und kann so manche Einsamkeit vertreiben.
Bewegen wir uns mehr mit Hund? Ja manche, vielleicht. Doch meistens sehe ich Herrl, Frauerl und Hund mit denselben gesundheitlichen Problemen z.B. dicker Besitzer, dicker Hund – so ähnlich wie bei Familien: dicke Kinder werden auch oft von dicken Eltern begleitet. Und ja, für viele ist der Hund auch der Kindersatz. Manchmal kommt allerdings zuerst das Kind, das Haus am Land und dann der Hund, um das Haus zu bewachen und der Hausfrau die Zeit zu vertreiben und den fehlenden Partner, der meist weit weg vom trauten Heim Geld verdienen muss, tagsüber und manchmal auch nachts zu ersetzen und die Einsamkeit zu vertreiben. Kann das so funktionieren? Lächelt die Hausfrau dann genauso erfreut, wenn der Mann heimkommt, so wie sie lächelt, wenn der Haushund mit dem Schwanz wedelt und sich für ein paar Streicheleinheiten an sie schmiegt?
Irgendwie verwirrt mich diese offensichtlich freundlichere und offenere Art der meisten Menschen, wenn ein Hundebegleiter dabei ist, im Gegensatz zu der Abwesenheit, der Ignoranz und der Grantigkeit, wenn sich nur Menschen ohne Hund begegnen.
Lustigerweise scheint es bei Hunden anders zu sein, zumindest bei den städtischen, denen wir begegnet sind. Funnys Bekanntschaften auf dem Gehweg fanden eigentlich gar nicht statt, denn jeder Hund den wir gesehen hatten, wurde von seinem menschlichen Begleiter so kurzgehalten und schnell vorbeigezogen, sodass es nicht einmal möglich war, einen genaueren Blick aufeinander zu werfen. Andere Hunde und deren Begleiter marschierten einfach ganz unbeeindruckt an uns vorbei und taten so, als hätten sie uns gar nicht gesehen. Anscheinend dreht sich hier das Verhalten um: Hundebesitzer hatten uns eher ignoriert, als Personen ohne Hund.
Auch Maskulino hatte unseren (meinen) Hundesittertagen nur zugestimmt, weil ich ihm versprach, dass er bei Funnys Anwesenheit nichts zu tun hatte. Also holte ich sie ab, brachte sie mit allen ihren Utensilien in unsere Wohnung, sorgte für ihr Futter, ihr frisches Wasser, ihre Rastplätze und ging mit ihr Gassi. Maskulino wollte so tun, als ob sie gar nicht da wäre. Doch weil sie ihn so liebt, verfolgte sie ihn auf Schritt auf Tritt, bis er ihr dann doch ihre Streicheleinheiten gab. Und einmal, als er glaubte ich würde das gar nicht mitkriegen, legte er sich zu ihr auf den Boden und die 2 tollten und kuschelten herum – auch er (obwohl er es sich fest vorgenommen hatte) konnte der Hundeliebe nicht widerstehen.
Was ist eure Erfahrung mit tierischen Begleitern? Wie steht ihr zu Menschenliebe und/oder Tierliebe? Wie sind eure Prioritäten? Wen würdet ihr zuerst retten? Auch wenn ich Funny ganz tief in meinem Herzen trage und sie sehr mag, meinen Partner, meiner Familie und meinen guten Freuden würde ich trotzdem immer noch ein Stück mehr von meiner Liebe schenken! Und auch wenn Funny schon ein Teil unserer Familie ist und das auch immer bleiben wird, sollten wir ihr nicht die ganze Last aufbürden, für alle menschlichen Entbehrungen da zu sein und diese zu ersetzen.
Und manchmal sind Hunde auch nicht sehr wählerisch – zuerst war Funny ganz traurig, als wir ihr Frauerl und Herrl am Schiff zurückgelassen haben, doch sie hat sich sehr schnell an unsere Anwesenheit gewöhnt und wirkte bald nicht mehr so traurig – sie liebt die Action, die Abwechslung und die Aufmerksamkeit und diese habe ich ihr an diesen 2 Tagen geschenkt.
Das waren wunderbare, spannende und lehrreiche Momente für mich, Funny und Maskulino – eigentlich wie Urlaub für uns alle 3. Doch Hundehaltung bedeutet auch Anstrengung und ist eine ziemliche Aufgabe, der ich mich im Moment noch nicht gewachsen fühle – dafür fehlt mir auch noch die Zeit! (Mal sehen wie ich dann im Ruhestand darüber denke, …)
Ich wünsche euch auf jeden Fall nette und freundliche Begegnungen mit oder ohne Hund, in der Stadt oder am Land.
Hobby-Hundesitterin Gelly
Gellysblog
P.S.: Ich nehme hier nur Hunde als ein Beispiel für diverse Tier-Mensch-Beziehungen, weil ich da über meine eigene Erfahrung sprechen bzw. schreiben kann. Ich kann aber auch verstehen, wenn man für oder mit einer Katze lächelt oder am liebsten beim Pferd im Stall schlafen möchte. Mit unserer Familienkatze habe ich leider eine Allergie entwickelt und mein Pferd musste ich aus Zeitmangelgründen (vor Jahrzehnten) meiner lieben Freundin Luna überlassen. Daher werde ich nicht so schnell auf den Hund kommen, weil ich nicht möchte, dass das mir oder einem Tier wieder passiert. Im Moment kann ich mit Tages- oder Kurzurlaubsbetreuungsaufgaben von Funny meine Hundeliebe grad richtig dosieren (ohne Maskulino zu vernachlässigen) und das ist perfekt für uns alle!
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