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Rauchen, Streiten oder doch lieber Boxen?

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Wenn ich sagen würde, die letzten 6 rauchfreien Wochen waren einfach, dann würde ich lügen. Ich bin zwar stolz, noch immer abstinent zu sein, obwohl der Gusto täglich da ist. Dafür habe ich schon 3 Kilo mehr auf der Waage und zum Ausleben meiner Aggressionen neuerdings einen Boxsack zuhause.

Seit gestern bin ich stolze Besitzerin von Boxhandschuhen und Boxsack, der auf einer „Reckstange“ am Schlafzimmertürstock montiert ist. Und ja, ich habe schon ein paar Mal draufgehauen. Seit Wochen geht es immer hin und her, ich ärgere mich oft, ich esse zur Beruhigung und bin sehr leicht reizbar oder breche sogar in Tränen aus. Daher wird es Zeit, wieder etwas Neues auszuprobieren, um mein Unrund sein zu bekämpfen oder ihm einfach nur den Raum zu geben, Dampf abzulassen.

Ich darf vorstellen: Boxsack und Junior Handschuhe als mein neues Begleitinstrument zur Rauchentwöhnung und sonstigen Ärgerlichkeiten!

  

Es vergeht kein Tag, wo ich nicht an eine Zigarette denke und ich marschiere bei jeder Pause, d.h. beim Aufstehen vom Schreibtisch nicht mehr auf die Loggia, um eine zu rauchen, sondern direkt zum Kühlschrank, um zu gustieren, was mir als Belohnung munden könnte.

Dementsprechend bin ich grundsätzlich eher faul und müde. Ich esse viel, ich bewege mich wenig und werde schon ein wenig chronisch unzufrieden – anscheinend habe ich die Zigarette für beide Richtungen verwendet, morgens als Aktivator, tagsüber als Pausenfüller und abends als Runterkommer. Für manches konnte ich schon Alternativen finden und ich bin nach wie vor am Weg und bemühe mich, auch weiterhin rauchfrei zu bleiben. Meist kämpfe ich aber mit dauernder Müdigkeit und es fällt mir schwer, mich aufzuputschen.

Außer so manche Auszucker zwischendurch – da gehen die Gefühle mit mir durch, entweder ist mir zum Weinen oder ich streite mit den Menschen in meiner Nähe. Darüber habe ich allerdings auch nachgelesen, unter Rauchentwöhnung und -entzug konnte ich folgenden Ratschlag recherchieren: Es ist ratsam, sein Umfeld zu warnen, dass man grad übersensibel sein könnte, damit aus einem kleinen Streit nicht gleich ein großes Drama wird. Ich habe mit meiner Freundin Gina schon ohne Vorwarnung gestritten. Zum Glück verhielt sie sich äußerst umsichtig und rücksichtsvoll, ist nicht nachtragend und steht weiterhin zu unserer Freundschaft – danke dafür!

Andere wiederum ignorieren meine derzeitigen Gemütsschwankungen und geben mir das Gefühl, mich überhaupt nicht ernst zu nehmen oder einfach nur zu belächeln. Da gehe ich erst recht in die Höhe – ich bin so wie ich bin und wenn ich mal anders als zu meinen Rauchzeiten agiere, dann sollte man das zwar nicht überbewerten, doch auf keinen Fall ganz unter den Tisch kehren, denn das macht mich noch mehr rasend. Registriert möchte ich schon werden, auch wenn es wahrscheinlich besser ist meine Streitsucht nicht direkt anzunehmen, sondern ein klein wenig abprallen zu lassen.

Ganz im Gegensatz zu mir, verspürt Maskulino total andere Empfindungen, seitdem er rauchfrei ist. Er ist total aktiv, steht schon früh morgens auf und ging sogar schon einmal joggen. Er sprüht nur so vor Unternehmenslust und Tatendrang. Einmal in einer der wenigen ruhigen Minuten hat er mir verraten, dass er sich eigentlich tagsüber gar nicht niedersetzen möchte, denn sobald er passiv ist und sitzt, denkt er wieder an eine Pausen- oder Entspannungszigarette. Deswegen tut er und tut er, macht und macht und überrascht mich immer wieder mit neuen Ideen. Solange ich nicht überall mitmachen muss, kann ich mit seiner Entwöhnung ja ganz gut leben, doch manchmal muss ich schon sehr laut und resolut nein sagen, wenn er mich mit in sein Boot ziehen will.

Sein Rhythmus ist nicht mein Rhythmus und unsere Rhythmen entwickeln sich grad in ganz gegenteilige Richtungen. Ich versuche vorerst, meine Müdigkeit zu akzeptieren und mir einfach die Pause zu gönnen, die mein Körper verlangt. Und Aktivität und Pause vertragen sich nicht unbedingt, zumindest nicht zum gleichen Zeitpunkt. Sehr oft gelingt es nicht, eine Einigung zu erzielen, da müssen sich unsere Wege halt zwischenzeitlich mal trennen, bis wir wieder einen dieselben Bedürfnisse zum selben Zeitpunkt empfinden.

Ähnlich geht es uns mit unserem bevorstehenden Urlaub – Maskulino möchte ans Meer, um seine Lunge gleich noch mit ein paar „Reinigungstagen“ zu unterstützen und mich zieht es in die Berge, in die Wälder, ins saftige Grün. Aber zumindest hier konnten wir bereits eine Einigung erzielen, wir wollen diesmal eine Fahrt ins Blaue machen. Über Kärnten, Sloweniens Flüsse, Seen und Berge, dem italienischen Grenzgebiet bei Cormons gelangen wir ja vielleicht doch noch ans Meer und somit wären unser beiden Bedürfnisse erfüllt. Das erste Zimmer ist gebucht und die Route wurde schon besprochen.

Bis dorthin übe ich noch fleißig, meinen Ärger nicht zu schlucken und dann an Magenbeschwerden zu leiden, sondern wenn´s mich wieder mal juckt, gleich ein paar Schläge loszulassen. Das tut irrsinnig gut und es reichen schon ein paar Sekunden, um meinen Dampf abzulassen – also so schlimm ist es eh´ noch nicht! Und wenn´s mich im Urlaub mal überkommt und sich Wut aufstaut, dafür werde ich mir als Vertretung für den Boxsack einen Polster ins Auto legen, der erfüllt auch seinen Zweck für zwischenzeitliches Ärger raus lassen.

Allerdings bekomme ich von vielen Seiten auch Zuspruch und die Zuversicht vermittelt, dass dieser Ausnahmezustand irgendwann auch wieder vorüber sein wird. Ich hoffe schon, dass das auch für uns zutrifft und sich meine mimosenhafte Stimmung bald wieder einpendeln und sich Maskulinos Überaktivität irgendwann wieder beruhigen wird. Und wenn nicht, dann bin ich trotzdem zuversichtlich, dass sich aus dieser Erfahrung ein neues gemeinsames Leben herausentwickeln wird.

Als positive Vision und Symbol dafür habe ich heute extra das Kussfoto von unserem ersten Urlaub in Venedig hinter dem Boxsack mit ins Bild gebracht. Ich bin mir sicher, dass in Zukunft irgendwann beides wieder Platz hat und eine neue Gemeinsamkeit gefunden wird.

Bis dorthin werde ich euch gerne statt Rauchen und Streiten über meine Boxfortschritte am Laufenden halten oder vielleicht auch nur über meine hoffentlich geringer werdende Notwendigkeit zuzuschlagen berichten.

Ich wünsche euch streit- und aggressionsfreie Tage oder zumindest geduldige Mitmenschen und baldige angenehme Ferien

Gelly

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P.S.: Vielleicht sollte man bald viele kleine Boxsäcke für Autofahrer oder andere Verkehrsteilnehmer entwickeln oder einen Box-Schüsselanhänger oder einen Wutball gratis an alle Mitmenschen verteilen, damit die Aggressionen nicht so oft an anderen Menschen ausgelebt werden, sondern ein gefühlsloser Gegenstand diese Abfedern kann?

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