Wir haben diesen Tag heute perfekt genutzt, wie viele andere Menschen auch, die vor allem in der Wiener Innenstadt bei den diversen Christkindlmärkten unterwegs waren, diese haben wir allerdings gemieden.
Ich habe heute versucht, mich langsam, aber stetig zu bewegen und vor allem die „Augen auf“ zu machen – im Gegensatz zu meinen meist gehetzten Schritten, die ich wochentags mache – schnurzstracks geradeaus zum nächsten Geschäft und gleich wieder zurück – kann man sagen bin ich heute richtig flaniert – und siehe da, auf einmal waren es dann doch 15.000 Schritte oder 8,6 km, viel Sonnenschein und wunderbare Augenblicke.
Eigentlich wollte ich zuerst die Schnellbahn in die Stadt nehmen. Weil mir aber beim ersten Schritt vor das Haus bereits die Sonne ins Gesicht lachte, wollte ich mich nicht schon wieder in ein abgeschirmtes Verkehrsmittel setzen. Also ging ich zuerst gleich die Wiedner Hauptstraße hinunter – auf der Sonnenseite, die bietet sich um diese Jahreszeit an, um ein wenig Sonnenlicht zu tanken.
Die Sonne lachte und die Blumenläden mit ihren Adventkränzen (für Spätzünder) und -gestecken, sonstige typische Weihnachtsblumen wie der Weihnachtsstern, die Amaryllis usw. direkt am Gehsteig erfreuten mein Auge und das ebenfalls angebotene Tannenreisig war sogar in Wien zu riechen – mitten in der Stadt.
Die Barbara-Zweige, die um recht teures Geld zu kaufen sind, erinnerten mich an die Zeit, wo wir noch selbst einen Kirschbaum entlang der Straße – manchmal auch in Nachbars Garten – gesucht hatten, um die Zweige selbst abzuschneiden. Und das musste genau am 4. Dezember sein – meinte meine Frau Mutter, zufällig am Namenstag meiner Nichte Bella. Irgendwie war man da als unverheiratetes Mädchen aber immer unrund – denn man sagt doch: Wenn die Barbara-Zweige genau zu Weihnachten blühen, dann heiratet jemand im nächsten Jahr. Und dann wurden immer gleich wir – meine Schwester Rita oder ich – verdächtigt. Meist war´s nämlich immer falsch, genau so wie wir es nicht wollten: Wenn wir von einer Hochzeit träumten, blühten sie natürlich nicht und als wir grad Single waren und eigentlich mit Männern nichts zu tun haben wollten oder nur von einer Beziehung in Zukunft träumen konnten, dann blühten sie natürlich genau am 24. Dezember. Also habe ich heuer beschlossen, keine Zweige zu kaufen, um nicht wieder zu warten – blühen sie jetzt, oder blühen sie nicht zum richtigen Zeitpunkt? Irgendwie hat sich dieser „Irrglaube“ seit der Jugendzeit in meinem Kopf festgesetzt.
Schön waren aber auch die vielen geschmückten – am liebsten mag ich´s dezent – Auslagen, die mit Christbäumen, -kugeln und anderen Weihnachtsblickfängen dekoriert waren. Heuer sehe ich in Wien so viel Weihnachtsmotive, dass mir dabei wirklich die Lust vergeht, die eigene Wohnung zu schmücken. An jeder Ecke werde ich je eh an die Vorweihnachtszeit erinnert, wozu dann mir selbst die Mühe machen?
Als ich dann am Karlsplatz angelangt war, wollte ich über die Kärntner Straße zum Schwedenplatz flanieren, mal so richtig in die Rolle einer Wiener Touristin schlüpfen. Ich ging zwar grad noch über den Ring, doch schon beim Überqueren der Straße wurde ich von links und rechts entweder angerempelt, überholt oder gedrängt. Also machte ich gleich wieder kehrt, das war mir für meinen Adventspaziergang, doch zu viel Hektik, die wollte ich nämlich genau nicht. Zum Glück gibt es noch viele andere schöne und auch ruhige Ecken in Wien, die für mich mit Advent und Vorweihnachtszeit viel mehr zu tun haben, als die Shopping-Meilen.
Also rein in die Bim, die interessanterweise total leer war. Nett war der Herr der Aufsicht der Wiener Linien an der Straßenbahnhaltestelle, der einigen verzweifelten und verirrten Touristen (einige sogar in Wanderschuhen) sehr geduldig Auskunft gab. Eh klar, dass die Bim leer war, denn die typischen Wiener fahren ja meist mit dem Auto von Haus zu Haus und die Gäste aus dem niederösterreichischen Umland anscheinend auch mit dem Auto von Adventmarkt zu Adventmarkt. Denn seit die Christkindlmärkte in Wien geöffnet sind, staut es regelmäßig bei der Stadteinfahrt – an einer davon wohnen wir zufällig. Täglich brauche ich jetzt ca. 20 Minuten mehr auf meinem Heimweg, weil ich mich zwischen vielen Punsch- und Weihnachtsfeierpendlern einreihen muss. Einige Punschpendler dürften auch ein wenig farbenblind sein oder eine verzögerte Bremszeit haben, denn immer wieder stehen dann Fahrzeuge mitten auf der Kreuzung – haben grün- statt rotgesehen oder hatten halt eine verlängerte Reaktionszeit, bis die Bremsung eingeleitet wurde. D.h. dann: der ganze Querverkehr ist auch blockiert und das Hupkonzert beginnt. Fröhliche, besinnliche, ruhige Vorweihnachtszeit klingt da so wie ein Satz aus einem Geschichtsbuch des vorigen Jahrhunderts. Deswegen genieße ich dann den Fußweg besonders an solchen Tagen!
Also mein Aufruf – es gibt in Wien und manchmal auch im Wiener Umland meist recht gute öffentliche Verbindungen und wenn man diese nutzt, macht man automatisch täglich mehr Schritte als nur die Unterfußbewegung im Stopp- und Go Autoverkehr. Wir könnten alle frischere Luft atmen und manche hätten vielleicht auch weniger Schwierigkeiten oder Abnützungserscheinungen an unseren Bewegungsapparaten (und ich meine nicht die Autos) – wer nur rastet, der rostet doch ganz sicher, oder? Und bitte: Am Parkplatz des Supermarktes nicht noch das Auto in Betrieb lassen, damit die Dame am Beifahrersitz nicht friert – leider war ich heute auf ein parkendes und gleichzeitig voll im Betrieb stehendes Auto nicht vorbereitet, ich kenne diesen „Standbetrieb“ sonst nur von Amerika – und bekam gleich die ganze Abgasdosis mitten in meine Lunge.
Am Schwedenplatz traf ich mich dann mit Maskulino, wo wir von der Sonne beschienen, zum Glück im Motto auch ohne Reservierung 2 Plätze ergatterten – meine Premiere, ich wollte nämlich schon oft dorthin und nie war was frei. Wir speisten köstlich und der DJ hatte seine Hippe Musik dann auch auf Oldies und besinnliche Töne umgestellt, was uns besser zusagte. Das „Frühstück“ war einzigartig und hat uns wieder bis zum Abend mit genug Energie und Vitaminen versorgt, perfekte Variationen sind dort nicht nur für den Gaumen, sondern auch für das Auge ein Genuss.
Danach ging es den Donaukanal – wieder auf der Sonnenseite – entlang. Dieser war interessanterweise auch von vielen anderen Sonnenhungrigen bevölkert und genutzt – schade, dass dort überhaupt keine Gastronomiebetriebe vorhanden sind, denn viele Menschen haben es sich auf den Paletten und anderen Überbleibseln der Sommerlokale gemütlich gemacht und hätten sicher gerne auch ihren Kaffee dazu getrunken. Dieser Ort in Wien sollte auf jeden Fall mehr belebt und verschönert werden, denn die Menschen lieben anscheinend diese – derzeit noch recht heruntergekommene – Promenade, abseits vom Autoverkehr – nach unten versetzt – zum Flanieren.
Zum Schluss noch eine kleine Runde in den Augarten und wieder retour zum Schwedenplatz. Mit der Bim den Ring entlang, um die Menschenmassen, die sich durch die verschiedenen Weihnachtsmärkte schieben noch von der Ferne zu betrachten. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: ich mag kleine besinnliche Weihnachtsmärkte sehr gerne, treffe mich dort gerne mit Freunden, um die angebotenen Waren zu bewundern, zu plaudern oder auch den einen oder anderen Punsch zu trinken. Meist bin ich aber am meisten an den kulinarischen Köstlichkeiten interessiert, diesen kann ich schwer wiederstehen – so wie die köstlichen Mohnzelten vom Waldviertler Stand beim Arabella Weihnachtsmarkt. Die waren so gut, saftig und ausgiebig, dass sie für uns fast als Hauptspeise ausgereicht hätten. Nach dieser langen Stadtwanderung schmeckt der Kaffee dazu zu Hause auf der Couch noch besser als sonst.
Da uns der Sonnenschein anscheinend noch ein paar Dezembertage erfreuen wird, wünsche ich euch besinnliche, eindrucksvolle und stimmige Adventspaziergänge in Stadt und Land
Gelly
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