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Grauer Einheitsbrei oder doch bunt?

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Ein Buch zu zweit zu schreiben, ist schon eine große Herausforderung, das haben Christina und ich schon in den ersten Monaten unseres Projektes erfahren. Wir Menschen sind manchmal unterschiedlicher als wir glauben, was zwar grundsätzlich gut ist und somit unser Leben bunter macht, doch beim „gemeinsamen“ Schreiben eine große Herausforderung werden kann. Konflikt und Abbruch oder Raum für beide Stile und Eigenheiten möglich machen, das war derzeit die Hauptfrage, die uns über die letzten Wochen beschäftigte.

Unser Buchprojekt wird also schon auf der ersten Etappe ziemlich auf die Probe gestellt bzw. die ersten Lernerfahrungen haben wir schon gemacht. Muss man sich überall einig sein, oder dürfen auch zwei Meinungen parallel existieren, um dann doch etwas gemeinsames und gleichzeitig Individuelles zu schaffen?

Meine Schwäche ist eindeutig die Würze in der Kürze. Ich schreibe und schreibe, bis dann z.B. ein Kapitel aus 25 Seiten besteht. Leider oder zum Glück ist man in Motivationsphasen von sich selbst total begeistert und tut sich schwer Dinge, die einem selbst wichtig sind Loszulassen und in diesem Fall wegzulassen, wenn man grad im Schreibfluss schwimmt. Da ist es immer hilfreich, sich Feedback zu holen, Leseproben zu verteilen und ein korrigierendes Pendant zu haben.

In unserem Konzept haben wir derzeit 21 Kapiteln geplant und wenn jedes davon so wie mein erstes 25 Seiten hätte, dann würden wir einen Wälzer mit 525 Seiten produzieren und das wäre sicherlich kontraproduktiv. Unser Buch soll nämlich ein Taschenbuch für die amüsante Lektüre zwischendurch oder zum Verschenken werden und wer möchte schon im elektronischen Zeitalter 525 Seiten durch die Gegend schleppen? Also bat ich Christina, meine 25 Seiten zu kürzen, denn diese meine erste „Longwrite or Longread“  Version von nur einem Kapitel wollte nicht einmal ich meinen Lesern zumuten.

Und was ist dann passiert? Christina, deren Beruf der Journalismus ist, und die es gewohnt ist, möglichst viel Inhalt in einem Fachartikel von einer Seite unterzubringen, hat sich mehrere Stunden lang in mein Kapitel eingelesen und dieses dann auf eine lesbare und der Allgemeinheit zumutbare Länge umgeschrieben. Ja, umgeschrieben und das war dann auch mein erstes großes Problem. Ich las meinen Text und fand mich teilweise überhaupt nicht wieder, weil sie natürlich in der gekürzten Form ihre eigenen Formulierungen verwendet hatte, die überhaupt nicht meinem Stil entsprachen.

Ich fand z.B. die Formulierung – ein Schnippchen schlagen, die ich (glaube ich) noch nie in meinem Leben ausgesprochen habe. Oder auf einmal tauchte das Wort Challenge auf, welches sich normalerweise nicht in meinem Sprachgebrauch findet, denn ich verwende, wenn immer das Wort Herausforderung. Ebenso hat mich beim Drüberlesen das Wort Aspekt ein wenig zum Stocken gebracht, denn meine Redensart in diesem Zusammenwort wäre z.B. diese Sicht der Dinge.

Es ist unglaublich, wie einem so Kleinigkeiten aus der Fassung bringen können oder das selbst geschriebene scheinbar total verändern können. Ich fühlte mich so ähnlich, wie ich es mir bei einer berühmten Persönlichkeit vorstellen kann, wenn so manche Zeitungsartikel, die über sie geschrieben werden, komplett aus der Luft gegriffen sind. So ähnlich konnte auch ich über den eigenen Text, der umgearbeitet wurde nur den Kopf schütteln, er hatte mit mir, was die Formulierungen betrifft, nur mehr relativ wenig zu tun. Das war der erste Moment, wo ich knapp davor war, das Buchprojekt zu canceln.

Doch wer mich schon genauer kennt, weiß, dass es überhaupt nicht meine Art ist, den Kopf in den Sand zu stecken und zu kapitulieren. Diese Eigenschaft hatte ich sehr wohl überausgeprägt in meinen jüngeren Jahren inklusive Fluchtreflex, doch mit ein paar Jährchen oder sogar Jahrzehnten am Buckel sollte ich doch schon gelernt haben, wie man auch ohne Davonrennen mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten umgehen kann.

Zuerst wollte ich meine Enttäuschung über die veränderte und gekürzte Version meines ersten Kapitels noch ein wenig wirken lassen und einmal drüber schlafen. Doch bevor sich wegen Verkrampfung mein Magen wieder zu Wort melden konnte, suchte ich lieber gleich das klärende Gespräch. Ich vereinbarte einen „Telefontermin“ mit Christina, um eine Möglichkeit zu finden, in dem gemeinsam geplanten Buch jedem von uns die Chance zu geben, seinem eigenen Schreibstil und somit diesem Teil unserer Persönlichkeiten treu zu bleiben.

Zur Diskussion standen nicht nur meine „Überlängen“ an Text, sondern auch die gerne von Christina verwendeten „Fremdwörter“ oder ihre gewählte Ausdrucksweise, die aufgrund der vielen fachlichen Publikationen, die sie sonst schreibt, wiederum ein Markenzeichen ihres Schreibstils sind. Die Aufgabe war, meine Texte knapper und kürzer zu halten und Christinas „Hochsprache“ ein wenig für die Allgemeinheit einfacher lesbar zu machen.

Es ist natürlich nicht möglich, sich von einem Tag auf den anderen umzustellen und auf einmal anders zu schreiben. Doch nachdem wir beide sehr ambitioniert und motiviert dasselbe Ziel verfolgen, gelang es uns nach einer kurzen Klärung der Fronten und einer Aussprache einen für uns beide passenden Weg zu finden, um nicht im den Meinungsverschiedenheiten stecken zu bleiben. Somit war das weitere Entstehen unseres Buches gesichert und wir konnten es weiter voranzutreiben, indem wir beide Schreibstile zulassen, damit keiner von uns von seiner Authentizität (siehe da: ich verwende ja auch schon Fachsprache) abweichen muss.

D.h. wir teilten die Themen auf und jeder von uns schreibt jetzt ein Kapitel und der andere darf maximal Korrektur lesen und den Vorschlag machen, ein paar für Fremde unverständliche Formulierungen abzuändern oder das eine oder andere zu kürzen, wegzulassen oder hinzuzufügen. Ab jetzt ist das Umändern von Schreibweisen strengstens verboten. Aufgrund der Unterschiedlichkeiten unserer Formulierungen beim Schreiben wäre nämlich sonst mit dem Mischmach keiner von uns zufrieden gewesen und unsere Leser hätten wir wahrscheinlich auch total verwirrt, wenn sie pro Seite, Absatz, Satz oder Wort die Mischung zweier Persönlichkeiten wiedergefunden hätten.

Nichts desto trotz finde ich es noch immer toll, bereichernd und sehr lehrreich, das Buchprojekt zu zweit zu vollenden. Denn man ist selbst eher nur auf die eigene Sichtweise fixiert und kann sich manchmal nur schwer auf das Ankommen des geschriebenen Textes beim Leser hineinversetzen. Genau diese erste Buchkrise war aber ganz besonders wertvoll.

Ohne Christinas (in diesem Fall extreme) Kürzung hätte ich es nicht so leicht geschafft, mich gleich von Anfang an auf kurze Kapitel und die Zurückhaltung und Einbremsung bei meinen üblichen Blabla Anfällen umzustellen. Ebenso erging es Christina, die nicht nur von mir sondern auch von anderer Seite den Hinweis bekam, dass ihre Fachsprache von der Allgemeinheit vielleicht nicht so geschätzt wird, denn es ist halt ein Unterschied und auch eine andere Erwartungshaltung, ob ich Leser eines Fachartikels bin oder ob ich nur einfach ein amüsantes Buch in meiner Freizeit lesen möchte.

Ich bin überzeugt, dass mit dieser Einigung sowohl wir, als auch unsere zukünftigen Leser zufrieden sein werden. Wir schreiben jetzt die Kapitel abwechselnd, sodass schon alleine durch diese Unterschiede im Schreibstil für Abwechslung unter den Kapiteln gesorgt ist. Das kommt dann heraus, wenn eine Psychologin & Journalistin und eine Lebens- und Sozialberaterin & Bloggerin gemeinsam ein Buch schreiben, eine ideale Ergänzung.

Für mich war dieser Prozess ein sehr schönes Beispiel, dass es nicht immer nur ein „Entweder – oder“ geben muss, sondern es auch möglich ist, zwei oder mehrere verschiedenen Farben parallel existieren zu lassen. Es muss nicht immer ein Einheitsbrei in Grau sein, es dürfen auch mehrere Farben oder Menschen parallel ihre Stärken einbringen und sich ergänzen. Oder für diejenigen, die es nicht so mit Farben haben, sondern eher Buchstaben oder Zahlen fixiert sind: Es muss ja nicht immer A oder B sein, sondern es hat auch AB seine Existenzberechtigung, was mich z.B. gleich an die Blutgruppen erinnert, die ja auch in unterschiedlichen Mixturen in dem Ergebnis Mensch existieren. Oder warum müssen 1 und 1 in Parallelwelten existieren, die Summe von 1+1 ist ja sogar 2 und somit vielleicht sogar ein Mehrwert, wenn man die Zahl mit der damit verbundenen Menge verknüpft.

Solange das Ziel für alle Beteiligten klar definiert ist und beide dasselbe wollen, ist der Prozess des Entstehens auf jeden Fall eher eine Bereicherung und eine Ausweitung der eigenen Sichtweise als eine Einschränkung – man muss nur die Toleranz, den Mut und das Vertrauen haben, allen Farben und Menschen seine Existenzberechtigung zu lassen und den passenden Platz für sie finden oder am besten selbst finden lassen oder die Kombination zu einer Gemeinsamkeit machen.

Christina und ich haben diese erste Hürde geschafft, auf unsere unpassenden Kleinigkeiten und Gewohnheiten zu verzichten und den Raum für unsere individuellen Stärken zuzulassen – jetzt machen die nächsten Kapitel wieder Spaß und wir ergänzen uns perfekt, sodass das gemeinsame nur besser werden kann, als wenn wir stur auf unsere Meinung beharrt hätten und den anderen ändern hätten wollen. Für mich ist auf jeden Fall gemeinsam besser als einsam, …

Auf jeden Fall werde ich euch weiter auf dem Laufenden halten, wie unser gemeinsames Projekt voranschreitet. Nächste Woche haben wir schon den ersten Termin mit einer Buchdruckerei, bei dem wir sicher weitere Erkenntnisse, positive und negative Überraschungen erleben werden. Doch nachdem wir jetzt schon die erste Probe für eine Einigung, die für beide eine „win-win-Situation“ ergibt, werden wir sicher auch die nächsten kommenden Hürden durch das gemeinsame Ziel vor Augen überwinden können und eine für beide passende Lösung finden.

Ich wünsche euch ähnliche Einigkeit und somit eine bunte Welt, die kein „Entweder – oder“ sein muss, sondern auch ein „Wie schaffen es wir gemeinsam?“ sein kann, wenn man sich nur ein wenig außerhalb seine Komfortzone begibt und bereit ist, über seinen eigenen Tellerrand zu blicken.

Eine bunte Welt, ein schönes Vorfrühlingswochenende und alles Liebe von

Gelly

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P.S.: Wir haben uns für bunt entschieden …….

 

 

 

 

 

 

 

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