Dieses Mal habe ich zu Halloween gestreikt und frage mich generell wozu solche Must-Rituale so viel Raum in unserem Leben einnehmen. Ich war zwar selbst in jungen Jahren verkleidet in der Stadt unterwegs, die Stimmung war meist sehr ausgelassen und wir hatten sehr viel Spaß – schon alleine das vorab Treffen zum Schminken und Verkleiden hatte uns schon auf den lustigen Abend eingestimmt. Interessanterweise haben wir uns damals überhaupt nicht gefürchtet. Jetzt allerdings sagen meine Nichten: In der Nacht bzw. wenn es finster ist gehen sie auf keinen Fall mehr auf die Straße, denn sie fürchten sich vor den Horrorclowns – einer davon trieb in ihrer Bezirkshauptstadt bereits sein Unwesen. Schlimm eigentlich, dass jedes vorher unbedarfte Kind, diesen Tag und auch andere schon mit Furcht und Angst besetzt verbindet.
Trotzdem finde ich, dass dieser Zirkus nicht nur deswegen überhandnimmt. Bei uns im Hochhaus waren voriges Jahr z.B. an Halloween Abend 5 unterschiedliche Halloweenkinder- und Jugendgruppen unterwegs. Ganz frech waren dann noch am späten Abend 2 Jugendliche in Kaputzenpullis – ohne sonstige Verkleidung und einem dünnen, durchsichtigen Plastiksackerl, wie man es für Obst und Gemüse in den Supermärkten verwendet. Natürlich bekamen sie auch süßes, sonst hätte ich vielleicht saures bekommen. D.h. am Ende dieses Abends waren wirklich alle unsere Süßwarenvorräte verschenkt und ich beschloss, beim nächsten Mal vorsichtshalber durch die Türlupe zu schauen, um so zu urteilen oder zu selektieren, wer meine Süßigkeiten verdient hat oder sogar eventuell die Türe gar nicht mehr aufzumachen. Eigentlich schade, dass man durch diesen Überfluss oder schlechte Erfahrungen automatisch auf Rückzug geht und generell verweigert.
Gestern wurde zwar nur einmal angeläutet, doch ich war nicht in der Stimmung, die Türe aufzumachen. Ich konnte aber heute ganz genau sehen, was die Halloween Kinder bekommen hatten, denn die verschiedenen Zuckerlpapierl waren im ganzen Stiegenhaus verteilt. Auch beim Spazierengehen heute in der Stadt haben wir noch ein Halloween Utensil mitten am Gehsteig liegen sehen. Das einzige, was ich derzeit noch schön finde, ist ein handgeschnitzter, ausgehöhlter Kürbis als Kopf mit einer Kerze oder Licht im Inneren – wenn das Kürbisgesicht dann noch freundlich schaut, bringt das ein Lächeln und wohlige Wärme in mein Gesicht.
Heute z.B. ist ja auch Allerheiligen Tag – warum müssen alle gleichzeitig am selben Tag die Friedhöfe besuchen? – auf dem Evangelischen Friedhof am Matzleinsdorfer Platz war heute sogar ein Zufahrtsstau sodass der ganze Matzleinsdorfer Platz blockiert war. Warum muss alles immer auf einen Tag konzentriert sein, warum kann man nicht rund um Allerheiligen – einen Tag vorher oder einen Tag nacher – die Friedhöfe besuchen? Warum müssen solche Tage immer nach Kalender sein – ich würde viel lieber nach Jahreszeiten, wobei man sich auf die ja auch nicht mehr verlassen kann oder dem Wetter – derzeit auch immer öfter auf und ab – leben. Vielleicht auch nicht so gut, denn das wäre dann sicher wie eine Hochschaubahn.
Für viele Menschen sind Rituale oder Gewohnheiten auch Ankerpunkte oder Stabilität im Leben, die sie unbedingt benötigen, sie geben auch Sicherheit, eine Aufgabe und Ablenkung. Ich bin zwar ziemlich ritualfrei – zumindest richten sich meine Rituale nicht nach dem Kalender. Ich habe meist tägliche oder wöchentliche Rituale – mein Bewegungsplan, mein Ernährungsplan usw. Meine Rituale richten sich eher danach, ob dieser Tag ein Arbeitstag oder ein freier Tag ist und ob die Geschäfte offen haben oder nicht oder nach dem Wetter. Ob jetzt Allerheiligen, Weihnachten oder Ostern ist, ist mir ziemlich egal. Bei manchem mache ich nur mit, um meiner Familie oder Freunden eine Freude zu machen.
Ich verstehe aber, dass Kinder Rituale brauchen – einige davon – die religiösen – bedeuten ja auch einen Schritt in den nächsten Lebensabschnitt. Allerdings möchte ich vor Übertreibungen warnen: Wenn die Kinder oder die Jugendlichen von heute nicht mehr wissen, was sie sich zu gewissen Festtagen wünschen sollen und dann wie z.B. meine Nichte Elisa am PC Amazon durchforstet und sucht, was sie vielleicht noch brauchen könnte, wie z.B. eine Zuckerwattemaschine oder einen Schminktrolley in der Größe eines großen Reisekoffers usw. Und als ich sie fragte, was sie ihrer Schwester zum Geburtstag schenkt, meinte sie: 20 Euro (und das mit 11 Jahren?). Da läuft dann doch etwas falsch: Wenn wir uns zum Namenstag, zum Geburtstag, zum Valentinstag, zum Mutter- oder Vatertag, zum Hochzeitstag, zur Taufe, zur Erstkommunion, zur Firmung, zu Ostern zum xxx-Tag Erlebnis-Gutscheine schenken, die dauernd ablaufen, weil wir eh´ keine Zeit haben, diese Events zu buchen und daran teilzunehmen, …
Wenn alle unsere Freude vor Weihnachten so im Stress sind, dass keine Zeit für Treffen oder gemütliches Beisammensein mehr ist. Weil es müssen ja noch xxx Geschenke gekauft werden oder yyy viele Weihnachtsbäckereisorten gebacken werden. Ach ja und die Weihnachtsdeko, die muss ja heuer in einer anderen Farbe sein, sonst zerreisst sich die Verwandtschaft ja den Mund darüber, wie einfallslos wir sind. Und der Christbaumschmuck muss ja harmonisch dazupassen, also stattet man sich hier besser auch jährlich neu damit aus. Hier bin ich schon traditionell und wenn schon Christbaum, dann eine Tanne mit einfachem Schmuck z.B. Strohsternen. Wobei ich trau´mirs gar nicht zu schreiben: Leider haben auch wir einen Kitsch-Christbaum zuhause, weil Makulino ja coole Ideen und alles Besondere liebt, was sonst keiner hat. Unser Christbaum in einem verkehrten Regenschirm fixiert, ist ca. 50cm, aus Plastik und hat in seinem Stamm eine Pumpe, die kleine Styroporkugeln laufend nach oben pumpt und somit immer wieder „Schnee“ über den Baum streut. Also ab der Adventzeit schneit´s auf unserer Loggia – und am 24. Dezember wird dann dieser Baum noch ein wenig dekoriert und mit einer Lichterkette versehen – das ist dann Weihnachten. Das ist unser Ritual, das nicht auf meinen Mist gewachsen ist – zumindest ein wenig nachhaltig, da jedes Jahr wiederverwendbar.
Einmal war ich sogar im Weihnachtsstreik – ich konnte den sich vor lauter Essen biegenden Tisch nicht mehr sehen und habe zum Weihnachtsmenü nur Mandarinen gegessen, das war wirklich hart für meine Frau Mutter. Doch im Wissen, dass viele Menschen auf dieser Erde nicht einmal eine ausreichende Mahlzeit pro Tag haben, konnte ich diesen Überfluss der teilweise in unseren Breiten vorhanden ist, nicht mehr sehen.
Hier 2 Fotos als Anregung für einfache, natürliche Deko
– ohne Kunststoff und sonstigen Abfällen, die bald wieder unsere Müllhaufen vergrößern werden. Es schreckt mich jedes Jahr von Neuem, wenn ich nach dem 24. Dezember den Müllraum betrete und die mir die Unmengen Kartons – natürlich nicht zerkleinert und zerlegt – bereits beim Eintreten entgegenfallen. Mit diesem Warenwert, der geschenkten Ware – teilweise ja sichtbar an der Verpackung – könnten viele Menschen ein paar Tage länger satt werden.
In diesem Sinne möchte ich euch dazu motivieren, über eure geplanten Geschenke nachzudenken und vielleicht das Motto: weniger ist mehr, wenn es von Herzen kommt – mit in die nächsten Wochen zu nehmen. Ich habe einmal nur Lebensweisheiten verschenkt, auf bunten Papier mit Goldstift geschrieben – kommt zwar nicht überall gut und wirkt ein bisschen schulmeisternd, doch die wahren Freunde konnten das gut annehmen, weil´s auch wirklich passend uns sorgfältig ausgewählt war. Oder die Idee, die ich mal bei einer Bekannten gesehen habe: die Geschenke mit Altpapier einwickeln – hoffentlich mit keinen Horrormeldungen drauf, das wird nämlich immer schwerer solche Zeitungsinhalte zu finden – fand ich auch sehr gut. Selbst gebastelt, selbst bemalt schickt meiner Meinung nach auch die positive Energie mit, die man in das Geschenk investiert hat.
Ich wünsche euch positive, Kraft gebende, freudige Rituale und eine schöne Herbstzeit
Gelly
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