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Wo führt die Herbstreise hin?

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Seit über einem Jahr habe ich keinen Blogartikel mehr geschrieben, doch jetzt hat sich doch schon so einiges angestaut, seit Wochen in mir Gedankenkreise geformt, ist gereift und genau heute ist der richtige Moment, das Thema: „Papa, ich vermisse dich!“ auf Reise zu schicken.

Um diese Zeit vor einem Jahr wurde meinem Vater bewusst, dass er bald seine Reise – wohin auch immer – antreten wird. Und es war eine schwere Zeit für ihn und alle Angehörigen, vor allem für meine Frau Mutter. An seinem Gesichtsausdruck konnte man täglich den Schweregrad seiner furchtbaren Schmerzen ablesen oder wechselseitig durch seine Lethargie den Pegel der Schmerzmittel, die ihm verabreicht wurden, erahnen.

Seine körperlichen Schmerzen schienen unerträglich zu sein, und trotz allem bin ich sehr froh, dass er COVID nicht mehr miterleben musste. Denn ich glaube mit der jetzigen Situation wären zu seinen schweren Schicksalstagen noch mehr Seelenschmerzen, Unverständnis und Trauer hinzugekommen.

Er hat seine letzten Wochen und Tage ganz tapfer gemeistert, sodass ich wirklich sehr stolz auf ihn bin. Und ganz egal, wie schlecht es ihm ging, seine größte Sorge war immer, wie wir und vor allem seine Frau, mit der er so viele Jahrzehnte gemeinsam durchs Leben gegangen ist, ohne ihn zurechtkommen wird. Auch der Abschied von seinen geliebten Enkelkindern fiel ihm ganz besonders schwer. Auf meine Schwester und mich vertraute er, dass wir dafür sorgen, dass das Leben seiner zurückbleibenden Familie auch ohne ihn irgendwie weitergeht.

Und ja, wir versuchen unser bestes, doch es ist schwer, sehr schwer. Denn das neue Familienleben hat – auch aufgrund der heurigen Virus-Ausnahme-Situation – noch nicht wirklich begonnen. Denn wie kann meine Frau Mutter, eine Frau, die bis zu ihrem 80. Geburtstag noch keinen einzigen Tag ihres Lebens allein gewohnt hat, in dieser Zeit der Angst vor der Pandemie wieder Lebensmut und Lebensfreude finden, wenn jedes nähere zwischenmenschliche Zusammentreffen scheinbar immer mit einem Risiko für sie verbunden ist?

Für mich war mein Vater ein Mensch, der jeden Konflikt aus dem Weg gehen wollte und auf keinem Fall jemanden ärgern oder zur Last fallen wollte – er wünschte sich einfach nur Frieden und ein geselliges Miteinander mit gutem Auskommen. Und wenn er diese Zeit erleben müsste, hätte sich vermutlich nicht nur sein Pankreas-Carcinom rasant ausgebreitet, sondern die Entwicklung unserer Gesellschaft, die derzeit vermehrt mit Egoismus, Aggression, Angst, Wut und Hass reagiert, hätte ihm wahrscheinlich noch dazu sein Herz gebrochen.

Auch für uns Verbliebenen ist es nicht einfach, Freude in diesem unglaublich anderem Jahr 2020 zu empfinden. Die Einsamkeit und zeitweise Isolation hat schon ihre Spuren hinterlassen. Doch zum Glück finden sich immer wieder kleine Gesten und Momente, oft von ganz unbekannten Personen, die uns daran erinnern, dass Lächeln noch möglich ist.

Danke an den unbekannten kreativen Gestalter meines bisherigen Glücksmoments 2020:

Auch unsere geliebte meist unbeschwerte Sommersaison am See geht zu Ende, die Fähre fährt nur mehr an manchen Tagen und unsere Out-Door Aktivitäten werden weniger und kürzer. Also bleibt wieder mehr Zeit zum Nachdenken, Sammeln und vor allem auch, um neue Perspektiven zu finden.

Pläne schmieden, zumindest bis heute, sich täglich etwas Gutes tun, mehr miteinander statt gegeneinander und wieder mehr Lächeln in Welt zu tragen, das ist meine Herbstreise 2020. Damit das neue reale Leben, wie auch immer es sein wird, freudig wiederbeginnen kann.

Alles Liebe und angenehme Herbstmomente wünscht

Gelly

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P.S.: Vielleicht gibt es ja doch – nicht erst wieder in einem Jahr – ein baldiges wieder lesen! Meine Schreibfreude scheint gleichzeitig mit der Freude auf die etwas andere Zukunft zurückgekommen zu sein.

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